Die Alte Sonnen-Apotheke in Haselünne

250 Jahre belegte Geschichte

Apotheken haben in Europa eine altehrwürdige Tradition. Bereits 1231 ließ der Hohenstaufenkaiser Friedrich II die Grundzüge einer Medizinalordnung, die die Trennung der Berufe von Arzt und Apotheker vorsah.

War bis dahin die Apotheke mehr ein Materiallager mit Heilkräutern, Mineralien und tierischen Heilmitteln, und der Apotheker mehr ein Lagerverwalter, so wandelte sich der Beruf im Mittelalter zu dem eines handwerkenden Krämers, der die pflanzlichen und tierischen Rohstoffe und Mineralien verarbeitete und neben Medizinen auch Zuckerwerk, Schokolade und Marzipan oder Tinten, Schmierfette und Pomade herstellte. Im 17.Jahrhundert erfolgte die Lösung vom Handwerk und die Wandlung zu einem akademischen Beruf, der neben einer Lehrzeit auch ein Studium erforderte. Später gingen aus den Anfängen pharmazeutischer und chemischer Forschung in Apotheken ganze Industriezweige hervor.

Seit Mitte des 17. Jahrhunderts läßt sich auch in Haselünne eine Apotheke nachweisen. Auch früher schon wird die traditionsreiche alte Hansestadt Lünne eine Apotheke besessen haben, aber ältere Schriften und Quellen fielen vielfach Kriegen und Bränden zum Opfer. Erster durch schriftliche Belege nachweisbarer Besitzer einer Apotheke in Haselünne war Nikolaus Nieman, verheiratet mit Henrica König . Am 17. April 1690 wurde ihnen ein Sohn Henrich Joes geboren. Die Mutter starb schon früh am 4.Januar 1695 und der Vater war jetzt gezwungen, eine zweite Ehe einzugehen. Der fünfjährige Henrich Joes fand in Elisabeth Wilke eine sorgende Stiefmutter. Nach dem Tod Nikolaus Niemans am 29. Dezember 1699 heiratete die Witwe am 9.November 1700 den Apotheker Arnold Bödiker aus Quakenbrück, der 1694 mit glänzendem Erfolg seine Lehre beendet hatte . Er gehörte zu der Familie der Vorfahren des Dr. Tonio Bödiker, des späteren Präsidenten des Reichsversicherungsamtes.

Diese Apotheke lag zunächst in der Hasestraße , wo heute das Textilhaus Timmen steht . Als der Apotheker Arnold Bödiker am 11.Januar 1738 starb, brachte Henrich Joes Nieman, der Sohn des Nikolaus Nieman, die Apotheke wieder in den Niemanschen Besitz. Der Kurfürst Clemens August von Köln, der gleichzeitig Bischof von Münster war, übertrug ihm und seinen Nachfolgern das Privileg zur Führung einer Apotheke in Haselünne. Die Urkunde wurde am 29.August 1747 in Arnsberg ausgestellt und vom Landesherrn persönlich unterschrieben. Eine Abschrift ist heute noch im Besitz der Familie Erpenbeck und bestätigt für die letzten 250 Jahre die Existenz der Alten Sonnen-Apotheke.

Henrich Joes Nieman war verheiratet mit Adelheid Steltenpoel. Am 1.Dezember 1740 wurde sein Sohn Rudolf geboren. Heinrich Joes Nieman starb am 4. März 1766. Sein Sohn Rudolf Nieman übernahm nun die väterliche Apotheke . Er verheiratete sich mit Maria Sybilla von Langen ( gest. 5. November 1811 ). Der Ehe entstammten vier Söhne, aber keiner von Ihnen ergriff den väterlichen Beruf. Deshalb beschäftigte Rudolf Nieman in den späteren Jahren den Provisor Franz Arnold Erpenbeck geb. 30.5.1760 , Sohn des Ludimagisters ( Lehrers und Organisten) Theodor Philipp Erpenbeck zu Haselünne, von der Stadt angestellt am 1.Dezember 1758, gest. am 3.2.1817 im Alter von 88 Jahren.

Rudolf Nieman war von 1774 bis 1778 Bürgermeister im Dienste der Stadt Haselünne.

Am Abend des 18. Oktober 1791 brach gegenüber der Apotheke im Hause des Dr. Pottkamp ein Feuer aus , das sich ausbreitete und 84 Häuser der Stadt Haselünne in Schutt und Asche legte . Obgleich sich die Bewohner der Stadt bemühten , die Apotheke zu retten, wurde auch sie ein Raub der Flammen. Bei dieser Gelegenheit ging auch die Bestätigungsurkunde von Kurfürst Clemens August verloren . Da der Betrieb der Apotheke weiterlaufen mußte , wurde sie in das Nebengebäude Nr. 7a der Neustadtstraße verlegt. Haus Nr. 7 befand sich zu der Zeit im Besitz des Ackerbürgers Abelen, Haus Nr.8 im Besitz des Chirurgen Poll. Haus Nr. 8 wurde 1811 von dem Amtschirurgen und Apothekenprovisor Franz Arnold Erpenbeck übernommen, der im Oktober 1812 die Sonnen- Apotheke von der Familie Nieman erwarb, da nach dem Tode des Rudolf Nieman am 29. Januar keines seiner vier Kinder die Apotheke übernehmen wollte. Dazu war unter der französischen Herrschaft die Vorlage der Bestätigungsurkunde notwendig. Eine Abschrift, deren Richtigkeit vom Notar August Johann Wilhelm Dietrich in Lingen 1812 beglaubigt wurde, führte zum Ziele. Am 3. März 1829 kaufte Franz Arnold Erpenbeck auch das Haus Nr. 7 vom damaligen Besitzer Meyer .1830 wurden die Häuser Nr. 7 und Nr. 8 abgerissen, da die Gebäude den Ansprüchen nicht mehr genügten, und an ihrer Stelle das Wohn- und Apothekenhaus Nr. 7 (zunächst eingeschossig ) neu errichtet.

Im Mittelalter war es Sitte den Häusern Namen zu geben, man noch keine Hausnummern kannte. Bei Gasthäusern , Apotheken und Gutshäusern besteht dieser Brauch bis in die Gegenwart . Dem leseunkundigen Volk zum Nutzen wurde der Name in Form eines Bildes dargestellt. So ziert auch die heutige Sonnen-Apotheke ein aus Eichenlaub geschnitztes Sonnenbild mit dem Zeichen des Berufsstandes, der Aeskulapschlange. Das Schnitzwerk stammt aus dem Jahre 1828.

Im Jahre 1788 ging Franz Arnold Erpenbeck die Ehe mit Elisabeth Plettner ein, aus der 10 Kinder hervorgingen. Franz Arnold Erpenbeck starb am 25. Dezember 1836 im Alter von 77 Jahren nach einem arbeitsreichen, von Pflichtbewußtsein erfüllten Leben.

Die Apotheke gelangte nun in die Hände seines fünften Kindes, des Franz Anton Erpenbeck , geboren am 25.7.1796 . In einer Niederschrift hat er selbst seinen Ausbildungsweg kundgetan . Von 1805 bis 1810 besuchte er die Lateinschule in Haselünne und ging dann bei seinem Vater bis zum Jahre 1816 in die Lehre. Darauf besuchte er die Universität in Münster und studierte Chemie und Botanik . Im Herbst 1816 kehrte er zurück und betätigte sich in der elterlichen Apotheke als Gehilfe. Im Beginn des Sommers 1817 begab er sich wieder nach Münster und hörte Vorlesungen über Physiologie, gleichzeitig arbeitete er praktisch bei Dr. Herbboltz. Am Schluß des Jahres trat er wieder bei seinem Vater in die Apotheke ein. Im Jahre 1822 heiratete er Maria Charlotte Nieman(geboren 20.8.1803 , gest. 26.6.1878), die Enkelin des früheren Besitzers der Apotheke. Franz Anton Erpenbeck hatte mit seinem Ausbildungsgang nicht nur Pharmazie, sondern auch Medizin studiert . In der Sonnen-Apotheke werden noch mehrere Lehrbücher aus damaliger Zeit aufbewahrt, unter anderem ein Lehrbuch der Pharmakologie aus dem Jahre 1813, das dem Leibarzt der Königin Luise von Preußen, Dr. Wilhelm Hufeland, gewidmet wurde.

Bei dem großen Brand in Haselünne am 10. August 1849 blieb die Apotheke verschont. Franz Arnold Erpenbeck starb am 26. Juni 1881.

Sein Sohn Hermann Erpenbeck, geb. 25.5.1841, folgte ihm als Erbe .Er studierte in Göttingen und arbeitete praktisch in der Hirsch- Apotheke zu Oldenburg. Am 27. Januar 1885 heiratete er Emilie Vehmeyer, geb. 9. Juni 1864 , gest.15. Juli 1945. Hermann Erpenbeck fiel die schwere Aufgabe zu, während des ersten Weltkrieges, als in Haselünne zeitweilig nicht einmal ein Arzt zur Verfügung stand, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten . Er starb am 17.Januar 1923 im Alter von 82 Jahren.

Nachfolger wurde das Älteste seiner vier Kinder , sein Sohn August Franz Max Alexander Erpenbeck, geb. 10.Januar 1886 . Er besuchte die Universität in München und später die technische Hochschule in Braunschweig , wo er 1914 seine Approbation erhielt . Den älteren Haselünner Bürgern ist er durch seine stete Hilfsbereitschaft, besonders im letzten Kriege, noch in guter Erinnerung .Er heiratete Maria Engelmann (13.08.1902 -17.4.1991). Franz Erpenbeck fügte dem Apothekengebäude 1937/1938 ein Obergeschoß hinzu. Ein Bombenangriff im Februar 1945 , der die Häuser gegenüber der Apotheke in Schutt und Asche legte und acht Tote forderte, bescherte auch der Apotheke erhebliche Schäden. In den Offizinräumen lag der Schutt einen halben Meter hoch. Erst nach der Währungsreform konnten die Schäden beseitigt werden. Weitere Umbauten in den Jahren 1949 und 1955 gaben der Apotheke ein modernes Gesicht.

Nach dem Tode Franz Erpenbecks am 24. Oktober 1957 verpachtete seine Witwe die Apotheke an ihren ältesten Sohn Hermann Ludger Erpenbeck( 4. April. 1930 - 26. Februar 2010 ), der sie zusammen mit seiner Frau, der Apothekerin Gertrud Erpenbeck , geb. Münscher ( 19. Mai 1921 - 27. Dezember 2005 ) weiterführte und 1963 in das jetzige Apothekengebäude am Markt 2 verlegte. Das alte Apothekengebäude in der Neustadtstraße dient bis zum heutigen Tag als Wohnhaus der Familie Erpenbeck.

Auch das neue Apothekengebäude wurde bereits durch mehrere Umbauten an die Erfordernisse der Zeit angepaßt. Seit nunmehr über 180 Jahren wird die Alte Sonnen-Apotheke von der Familie Erpenbeck geführt, mit der Tochter Charlotte Maria Erpenbeck,(geb. 28.03.56), ebenfalls Apothekerin, seit April 1999 in der sechsten Generation Erpenbecks in der Apothekenleitung. Ab Januar 2016 wurde die Alte Sonnen-Apotheke von Frau Erpenbeck als OHG geführt, zusammen mit der Apothekerin Tanja Kramer.

Seit dem 1.1.2022 führt ihre Tochter Ruth Kaumanns die Apotheke zusammen mit Tanja Kramer als OHG fort.

Quellen: Dokumente der Familie und der Apotheke
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